Mose - Der Name
Die in der Geburtserzählung vorgenommene volksetymologische Namensableitung, die sich auf die hebräische Wurzel mšh(„ziehen“) bezieht, ist fehlerhaft. So versuchten antike Autoren den Namen Mose mit der altägyptischen Entsprechungmu-wedja („Wasser-unversehrt“) in Verbindung zu bringen. Aus historischer Sicht sind jene Hypothesen jedoch unbelegt.
Nach neueren Untersuchungen ist der Name Mose mit der altägyptischen Wurzel *mesi/mesa/mes („gebären“) verwandt, die in zahlreichen Personennamen oft in Verbindung mit einem Gottesnamen belegt ist, beispielsweise steht Ramses II. (Rˁ msj sw – Ra-mesi-su) für Ramses oder Ramose („Re ist der, der ihn geboren hat“ bzw. „der von Re geborene“), Thutmosis(Ḏḥwtj msj sw – Djehuti mes, „Thot ist der, der ihn geboren hat“).
Eines der Probleme, die sich aus dieser Erklärung ergeben, ist die masoretische Schreibung des Namens Mose mit dem Zischlaut š (שׁ) statt s (ס). Letzterer wird sonst für die Umschreibung des ägyptischen Lautes š im Tanach regelmäßig verwendet. Einige Autoren haben anhand dieser Schreibung, die unter anderem analog zu der keilschriftlichen Umschreibung von „Ramses“ ist, einen frühen „Eingang“ des Namens Mose in die hebräische Tradition vermutet. Nach anderen könnte aber die spätere Deutung nach dem hebräischen mšh („ziehen“) in Ex 2,10 für diese Schreibung Rechnung tragen.
Mose - Flucht nach Midian und Sendung
In Ex 2,11–22 EU wird von der Flucht Mose nach Midian erzählt, die Mose ergriffen habe, nachdem er einen ägyptischen Aufseher getötet habe, weil dieser einen „Hebräer“ (er)schlug. Dort habe ihm „der Priester von Midian“, dessen Name Reguel nach 2,18 EU und Jitro nach 18,2 EU lautete, seine Tochter Zippora zur Frau gegeben.
Angeleitet von der Episode des brennenden Dornenbusches im Berg Horeb, dem „Berg Gottes“, wird in Ex 3,1 EU–4,17 EU von der Offenbarung JHWHs an Mose und von dem ihm auferlegten Auftrag, nach Ägypten zurückzukehren und das Volk Israel von der Knechtschaft zu befreien, berichtet: JHWH habe sich im Horeb als „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ zu erkennen gegeben (3,6 EU) und Mose damit beauftragt, „die Ältesten Israels“ zu versammeln, um die Befreiung aus Ägypten und den Auszug in das „Land der Kanaaniter“ zu verkündigen (3,16f. EU). Mose trat damit als Verkünder des Namens vom Gott JHWH auf. In der Vergangenheit hatte JHWH nie seinen Namen genannt (Ex 6,6 EU–Ex 6,8 EU). Dem Pharao soll Mose die Aufforderung stellen, die „Hebräer“ drei Tage lang in der Wüste dem eigenen Gott opfern zu lassen.
Dieser erste Bericht von der Berufung wird als eine Mischung von jahwistischen und elohistischen Quellen betrachtet. Als Priesterschrift gelten die Wiederholungen der Offenbarung JHWHs und der Sendung Mose, die losgelöst vom Gottesberg und Midian in Ex 6,2–13 EU und in 6,28 EU–7,7 EU enthalten sind.
Das Motiv der Flucht ins fremde Land und der verheißungsvollen Rückkehr hat in vielen Legenden des Nahen Osten eine Entsprechung und wurde vielfach auch auf die Biographie etlicher historischer Persönlichkeiten des 2. und des 1. Jahrtausends angewandt (z. B. Hattusili, Assurhaddon, Nabonid u. a.). Eines der bekanntesten Beispiele, in dem enge Parallelen mit der Geschichte Mose gesehen worden sind, ist die ägyptische Geschichte von Sinuhe, in der der Protagonist aus Furcht vor dem neuen Pharao in die Fremde flieht, bei Beduinen Gastfreundschaft findet, die Tochter eines syrischen Herrschers heiratet und abschließend nach Ägypten zurückkehrt.
Mose - Auszug aus Ägypten und Wanderung durch die Wüste
Die Aufforderung Mose, die Israeliten in die Wüste ziehen zu lassen, damit sie „ein Fest feiern können“, habe der Pharao abgelehnt, bis die letzte der wegen dieser Ablehnung über Ägypten gesandten Plagen – der Tod aller ägyptischen Erstgeborenen – gekommen sei (Ex 7,14 EU–11,10 EU; 12,29–34 EU). Der darauffolgende Bericht in Ex 12,37ff. EU vom Aufbruch der Israeliten bricht mit der Ausführung der Vorschriften für das Passafest und anderer Gesetze (12,43 EU–13,16 EU) ab und wird in 13,17ff. EU wieder aufgenommen.
Es folgen die Erzählungen des Meerwunders am Schilfmeer in Ex 14 EU, die die Wüstenwanderung (15,22 EU–18,27 EU) einleiten; die Einsetzung durch Mose vom „Richter“ über die Stämme Israels (18,13-27 EU) und – in 19 EU–40 EU – die vorwiegend aus der Priesterschrift stammenden Ausführungen um den Bundesschluss am Berg Sinai (24 EU) mit der Erteilung des Dekalogs (20,1–21 EU; vgl. Lev 19,1–37 EU) und der sonstige Auflistung der Gesetze.
Das Motiv des Rückfalls in den Götzendienst, der Unzufriedenheit der Israeliten und der Revolte gegen die Autorität Mose taucht in mehreren Episoden innerhalb der Erzählungen vom Auszug aus Ägypten, der Wanderung durch die Wüste und dem Aufenthalt in Kadesch-Barnea auf. So in den Episoden der Teilung des Roten Meeres (Ex 14,10–14 EU), der Wasserwunder (15,22–26 EU; 17,1–7 EU und Num 20,1–13 EU), der Wachteln und des Manna (Ex 16 EU), in denen Notlage und Unzufriedenheit durch wundersame Ereignisse und Handlungen überwunden werden.
Eine der bekanntesten dieser Begebenheiten ist die Geschichte des goldenen Kalbs (Ex 32,1–6;15–29 EU): Auf Druck des Volkes hin und Aarons Anweisung haben die Israeliten allerhand Schmuck und Gold geschmolzen und sich ein goldenes Kalb als göttliches Bild erschaffen. Als Strafe für diese Tat habe Mose befohlen, diejenigen, die JHWH untreu gewesen waren, zu töten:
Dieser Befehl sei von den Leviten vollzogen worden, die dabei um die 3000 Mann erschlagen haben sollen (32,25–28 EU). Von einer weiteren Rebellion gegen Mose wirdin Num 16,35 EU berichtet. Demnach hätten sich 250 Leviten unter der
Führung Korachs, Datans und Abirams gegen Mose aufgelehnt und seien dafür mit dem Tod bestraft worden (Num 16,35 EU). Auch Moses Schwester Mirjam habe ihre Anzweifelung der Autorität Mose durch göttliche Bestrafung mit Aussatz büßen müssen, bevor sie reuig wieder davon genesen sei (Num 12 EU).
Mose - Der Tod
Nach Dtn 34 EU sei Mose mit 120 Jahren !!! auf dem Berg Nebo im Ost jordanland gestorben, nachdem er von diesem Berg aus das Land jenseits des Jordans erblickt hatte: In dieses Land habe er wie alle anderen Israeliten seiner Generation nicht eintreten dürfen (vgl. Num 14 EU; 20,12 EU; Dtn 4,21f. EU). Mose sei „gegenüber Bet-Pegor“ an einem unbekannten Ort beigesetzt worden.
Der Theologe und Archäologe Ernst Sellin stellte Anfang des 20. Jahrhunderts die These auf, Mose sei als „Märtyrer“ von den Israeliten getötet worden. Im späteren 20. Jahrhundert hat die These eines kollektiven Mordes an Mose vereinzelt bei Autoren wie Sigmund Freud (vgl. unten: Mose und der Ursprung der Religion bei Sigmund Freud) und René Girard ein Echo gefunden. Von einem durch Josua und Kaleb vollbrachten Mord an Mose war auch J. W. Goethe in einer frühen Schrift ausgegangen.
Nach Auffassung Sellins sei bei den Propheten eine – hauptsächlich bei Hosea, Deuterojesaja und Deuterosacharja zu entnehmen, aber auch bei allen anderen Propheten wahrnehmbar – „Mose tradition“ lebendig gewesen, die weitgehend unabhängig von der deuteronomischen und priesterschriftlichen Überlieferungen des Pentateuch war und im Wesentlichen mit dem ältesten der jahwistischen und elohistischen Quellen übereinstimmte.
Diese Tradition sei größtenteils von der Verwerfung des blutigen Opferkults und von dem Verständnis der Gottesgebote als Gebote der Liebe und des Rechts geprägt gewesen. Ein beständiger Teil dieser Mose tradition sei ferner der Märtyrertod des Mose gewesen. Sellin stützte seine These des Märtyrertods auf eine Reihe von Anspielungen, die er den Büchern der Propheten entnommen hatte.
Ausschlaggebend war für ihn die eigene Auslegung einiger Stellen bei Hosea (5,1 EU; 9,7–14 EU und 12,14 EU–13,1 EU ), die nach Sellin auf die Episode von Schittim in Num 25 EU anspielen, in der Mose befohlen haben soll, diejenigen Israeliten zu pfählen, die zu dem Götzendienst für Baal Peor abgefallen waren. In Num 25 ist von einer Ausführung dieses Befehls nicht die Rede, sondern von einer „Plage“, die 24.000 Mann das Leben kostete.
Diese „Plage“ sei durch die Tötung eines Mannes beendet worden, welcher sich in sein Zelt zusammen mit „der Midianiterin“ begeben hatte. Für Sellin war das der verstümmelte und unkenntlich gemachte Bericht der Tötung des Mose: In Schittim – aber die Episode hätte auch in Kadesch-Barnea beheimatet gewesen sein können – sei Mose als Schuldopfer für die Sünden des Volkes getötet worden.
Sellin zufolge waren auch die in Deuterojesaja enthaltenen Lieder von dem leidenden Gottesknecht (Jes 42,1–10 EU; 49,1–13 EU; 50,4–9 EU und 52,13 EU–53,12 EU) von dem individuellen Schicksal des Mose inspiriert, selbst wenn diese Stücke nicht auf die Anspielungen auf den Märtyrertod Mose zu reduzieren waren. Ebenfalls als Anspielungen auf die Tötung Mose legte Sellin einige Passagen im 2. Teil des Buchs Sacharja aus: das sogenannte „Hirtenbüchlein“ in Sach11,4–17 EU (vgl. Jes 63,11 EU), das „Schwerterlied“ in 13,7ff. EU und die Klage in 12,10 EU.
Mose in der hellenistischen Geschichtsschreibung
Etliche Autoren der griechisch-römischen Antike erwähnen Mose in Verbindung mit dem Auszug aus Ägypten. In fast allen dieser Texte kommen die Motive der Pest bzw. der Vertreibung von „Aussätzigen“ (Juden oder Ägypter) vor: Diese wählen Mose als ihr Oberhaupt, der ihnen eine neue Religion gab und sie ins kanaanäische Land führte. Dabei handelt es sich fast immer um verleumderische Erzählungen, in denen mit wenigen Ausnahmen – wie zum Beispiel bei Hekataios von Abdera und Strabo – die neue Religion Moses als Gottlosigkeit, Umkehrung der „richtigen“ Religion oder gar als Lehre des Hasses beschrieben wird.
Die Regelmäßigkeit, mit der diese Motive in den griechischen und römischen Dokumenten der Geschichtsschreibung auftauchen, hat zwar die Vermutung nahegelegt, dass diesen Texten nicht immer unabhängige Überlieferungen zugrunde liegen. Nach manchen Interpreten ist dennoch offenkundig, dass viele dieser Erzählungen auf sehr alte, mündlich tradierte Legenden zurückgreifen.
Die Darstellung der Person des Mose weist in diesen Berichten einige Abweichungen auf. Die vermeintliche Erwähnung des Mose als altägyptischer Priester aus Heliopolis in den Aegyptiaca von Manetho wurde erst nachträglich ergänzt und ist nicht Manethos verschollenem Originalwerk zuzurechnen. Bei zahlreichen anderen Autoren, die nur den Namen Mose angeben, gilt er als Ägypter. Nach Chairemon war er ein Schriftgelehrter, und sein ägyptischer Name sei Tisithen gewesen. In Pompeius Trogus' Historiæ Philippicæ kommt Mose als Sohn des Joseph vor und soll die ägyptischen Kultobjekte gestohlen haben. Nach Tacitus sei er einfach einer der Vertriebenen gewesen.
Von jüdischen Autoren wurden zusätzliche Episoden von dem Leben des Mose überliefert. So berichteten Flavius Josephus und Artapanos von einem Krieg, den Mose gegen die Äthiopier geführt habe. Josephus berichtet, dass der kurze Krieg mit der Heirat zwischen Mose und der Tochter des äthiopischen Königs beendet worden sei (Ant II, 251–253), während Artapanos von einem zehnjährigen Krieg berichtet, im Zuge dessen Mose die Stadt Hermopolis gegründet, denIbis geheiligt, und den Äthiopiern die Beschneidung beigebracht haben soll. Diese Überlieferung scheint unabhängig von der Notiz der kuschitischen Frau des Mose zu sein, die in Num 12,1 EU erwähnt wird.
Mose - Die Fragestellung um die Figur
Die Deutung der Figur des Mose und die Versuche, sie historisch zu verorten, haben über die letzten Jahrhunderte nicht nur Exegeten beschäftigt, sondern auch Historiker, Literaten, Philosophen, Ägyptologen usw. Im 20. Jahrhundert haben Exegeten und vor allem Bibelhistoriker vorwiegend die Funktion und die Rolle des Mose in der Entstehung Israels und seiner Religion in den Mittelpunkt der Fragestellung gerückt. Dagegen ist ein Verständnis des Mose als „mythologisches Konstrukt“ von führenden Alttestamentlern wie Harrison weitgehend aufgegeben worden. Eine solche Auffassung war seit der Aufklärung noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts durch Autoren wie de Wette, Winckler, Jensen vertreten worden.
Mose - die Rolle
In der neueren historischen Forschung wurde Mose vorwiegend als Volks- oder Religionsgründer, als Gesetzgeber oder Reformator aufgefasst. Für Martin Nothwar jedoch das Verständnis des Mose als Gesetzgeber und Religionsstifter an die „deuteronomisch-deuteronomistische Literatur“ gebunden, und zwar hauptsächlich an die Episode des Bundeschlusses am Sinai. Die Erzählungen des Pentateuch seien das Ergebnis einer nachträglichen „Angleichung“, die unter anderem die Figur des Mose in alle Episoden vom Auszug aus Ägypten bis zur Ankunft in Palästina mitaufgenommen habe – auch in Erzählstoffe also, die ursprünglich nichts mit Mose zu tun hatten. Somit sei mit Bezug auf den historischen Gehalt keine der im Pentateuch enthaltenen Episoden besonders hervorzuheben. Noth zufolge sei jedoch die Notiz von dem jenseits des Jordans gelegenen Grab Mose (Dtn34,5.6a.8 EU) diejenige, die am ehesten einen historischen Kern besitze: Demzufolge gehöre Mose „in den Zusammenhang der Vorbereitung der Landnahme der mittelpalästinischen Stämme“ hinein.
Mose und der Ursprung der Religion bei Sigmund Freud
In seinem letzten Werk Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1939) stellte Sigmund Freud neben der These, Mose sei ein Ägypter gewesen, weitreichende Hypothesen über den Ursprung des „jüdischen“ Monotheismus und das Wesen des Judentums auf. Die in diesem Buch vorgeführten Überlegungen wurden von Freud selbst als „Konstrukt“ bezeichnet. Sie basierten aber auf dem damals neuesten Stand der ägyptologischen (James H. Breasted u. a.) und der alttestamentlichen Forschung (Eduard Meyer, Ernst Sellin u. a.). Mose wird als Ägypter dargestellt, vielleicht Statthalter des Distrikts Gosen im Nildelta, aber jedenfalls als Anhänger Echnatons (um 1350 v. Chr.).
Als solcher habe er nach dem Scheitern von dessen Reform die monotheistische Atonreligion den „Juden“ auferlegt und sie aus Ägypten geführt. Dies erkläre die Bildlosigkeit, die Geistigkeit und die Ideale der Gerechtigkeit, welche die spätere (nachexilische) Religion Israels prägten, sowie die Auffassung, von Gott auserwählt und den anderen Völkern überlegen zu sein. Dabei handle es sich um Hauptmerkmale des Judentums, welche spätere antijüdische Vorstellungen mitverursacht hätten.
Freud zufolge wurde Moses von den Israeliten ermordet.
Dieser Mord sei der Gründungsakt der nachfolgenden religiösen und gesellschaftlichen Ordnung. Diese These wiederholt den bereits in Totem und Tabu formulierten „Vatermord“ als Entwicklungsmoment der Religion. Die Vollstreckung dieses Mords habe „Zwangscharakter“ gehabt. Nach der Ermordung des Mose habe allmählich die israelitische Religion die wesentlichen Merkmale der anderen kanaanäischen Religionen übernommen.
Erst einige Jahrhunderte später sei die „Mosereligion“ die Religion Israels geworden, und zwar durch das Wirken der Propheten. Analog zu den Vorgängen der individuellen Psychologie habe dabei zuerst eine Verdrängung stattgefunden, die ihren unbewussten Ausdruck in dem Schuldgefühl und in der Thematisierung der israelischen Geschichte als zeitlicher Folge von Bestrafungen durch Gott gehabt habe. Später in der Geschichte habe sich langsam die „Wiederkehr des Verdrängten“ vollzogen, indem sich die „Vaterreligion“ etablierte.
Mose als Figur der Geschichte
Zahlreiche Historiker und Ägyptologen haben versucht, Mose mit aus ägyptischen Quellen bekannten Figuren zu identifizieren. Einer der Vorschläge, der große Resonanz hatte, ist die auf E. A. Knauf zurückgehende Gleichsetzung Mose mit Bay (auch Beja oder Baja), einem Würdenträger der 19. Dynastie, der unter Sethos II. (um 1200 v. Chr.) amtierte und bei der Inthronisation von dessen Nachfolger Siptah eine wichtige Rolle gespielt haben soll.
Sein Titel ist als „Großer Schatzmeister des ganzen Landes“ überliefert, und er soll unter Sethos auch die Funktion des Kanzlers ausgeübt haben. Nach den Interpreten könne der Name B3-jj, „By“ oder „Beja“ ein semitischer Name sein, wahrscheinlich eine Zusammensetzung mit dem Gottesnamen Ja(hwe), dessen Form be-ja („in JHWH (ist mein Trost)“, De Moor) oder ein Analogon des hebräischen Personennamens אֲבִיָּה (abī-ja, „JHWH (ist) mein Vater“) gewesen sein könnte.
Neben diesem Namen soll Beja auch einen Hofnamen getragen haben, dessen erster Teil „Ramses“ war (Rw-msj-sw-h-m-ntrw). Dieser Beja ist ferner mit dem in der Stele von Elephantine als „Irsu“ – vielleicht ein Spottname – genannten Anführer der Asiaten identifiziert worden, die in der Zeit von Ramses III. gegen die ägyptische Herrschaft einen Aufstand versuchten und aus dem Land vertrieben wurden.
Die Entsprechungen der Notizen über Beja-Ramses-Irsu mit den Moseüberlieferungen seien in einigen Texten des Exodus zu suchen, die Mose als „Groß im Land Ägypten“ angeben (Ex 11,3b EU) und von einer „Plünderung“ der Ägypter von Seiten der ausziehenden Israeliten berichten (Ex 12,35.36b EU).
Als Persönlichkeit der ägyptischen Geschichte, die die biblische Beschreibung des Mose beeinflusst haben kann, ist ein „königlicher Butler“ oder „erster Truchsess des Königs“ semitischer Herkunft in Erwägung gezogen worden, der in Dokumenten aus der Zeit von Ramses II. und Ramses III. mit dem ägyptischen Namen Ramsesemperre (Rw-msj-sw-m-pr-R, „Ramses im Haus des Ra“) vorkommt und hauptsächlich diplomatische Funktionen gehabt haben soll. Von ihm werden auch Baschan als Herkunftsort, Jwp als Vatersname, und die Bezeichnung Bn-’zn überliefert, die als „Sohn der Gehorsamkeit“ als Ehrentitel oder als Bezeichnung einer Stammesangehörigkeit interpretiert worden ist. Als Diplomat soll Ramsesemperre die ägyptischen Interessen gegenüber den Schasu oder in deren Stammesgebieten vertreten haben.
Der Ägyptologe Rolf Krauss stellte die Hypothese auf, die biblische Mosegeschichte könnte nach dem Vorbild der Geschichte von Amenmesse um 500 v. Chr. verfasst sein. Amenmesse (13. Jahrhundert v. Chr.) sei ein Sohn des Pharao Merenptah, für den er einen Krieg gegen Aufständische führte, und identisch mit dem Vizekönig von Kusch (Kurzname:Mase-saja – vollständiger Name: Amun-masesa). Seine Biographie weise weitestgehende Übereinstimmungen zu der Biographie Moses auf.
Kontrovers diskutiert wird die von Jan Assmann und Donald B. Redford vertretene These, die die biblische Exoduserzählung mit der archäologisch nachweisbaren Herrschaft von Pharao Ahmose I. [Jḥ ms(j.w)] in Verbindung bringt. In der Tat existieren Ähnlichkeiten zwischen dem Exodus und der archäologisch belegten Vertreibung der Hyksos aus Ägypten durch Pharao Ahmose I. Während der Regierungszeit Ahmoses I. ereignete sich eine Naturkatastrophe, die auf der Unwetterstele beschrieben wird. Die Beschreibung dieser Naturkatastrophe erinnert stark an die Beschreibung der biblischen zehn Plagen. Das Papyrus Ipuwer enthält eine weitere Beschreibung dieser Naturkatastrophe, es gibt aber in der ägyptischen Chronologie Ungereimtheiten in der Datierung, die Unwetterstele wird etwa 100 Jahre später datiert als das Papyrus Ipuwer.
Mose - Der gehörnte
Die Darstellung des Mose mit Hörnern in manchen älteren christlichen Kunstwerken der Westkirche (z. B. die Skulptur von Michelangelo in San Pietro in Vincoli) geht auf die Übersetzung des hebräischen Verbs „qāran“ (קָרַן) in der Vulgata mit cornuta(„gehörnt“) statt coronata („strahlend“) zurück. In dem masoretischen Text von Ex34,29 EU wird von Mose geschrieben:
כִּי קָרַן עוֹר פָּנָיו,
was in allen alten und neuen Übersetzungen – mit der Ausnahme der Vulgata und der Aquila-Version – sinngemäß mit „dass sein Antlitz strahlte“ übersetzt wird. Dieses Strahlen als Zeichen des göttlichen Glanzes flößte den Israeliten Furcht ein (Ex 34,30 EU). Mose legte nach seiner Rede einen Schleier über sein Gesicht. Er legte den Schleier ab, wenn er mit Gott sprach; er verschleierte sein Gesicht, wenn er zu den Israeliten sprach und sie das Strahlen bemerkten (Ex 34,33–35 EU).
Mose in den abrahamitischen Religionen
Ausgehend von den verschiedenen Darstellungen im Alten Testament hat das Bild des Mose ein lang andauerndes Echo in den aus dem Tanach hervorgegangenen oder von ihr beeinflussten Religionen – sowie in der theologischen Reflexion innerhalb derselben – gefunden. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die Verheißung des Mose, die Israel einen Propheten ankündigt (Dtn 18,15 EU): „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören.“ Zuvor hatte Mose diese Verheißung selbst empfangen (Dtn 18,18 EU).
Mose Im Alten Testament
Mose wird im Tanach insgesamt 767 Mal erwähnt, größtenteils im Rahmen der Überlieferungen von dem Auszug aus Ägypten und der Wüstenwanderung (647 Mal in den Büchern 2. bis 5. Mose), und 80 Mal im Neuen Testament. Das Bündel von Themen, die die biblische Tradition mit Mose verbindet, hat seine Schwerpunkte in der Tradition des Mose als direkter Empfänger der Offenbarung Gottes, als Befreier des israelitischen Volkes aus der Sklaverei und Führer auf seiner Wanderung ins verheißene Land, als Prophet und Heilsfigur und als Vermittler der Worte Gottes und des Gesetzes.
Mose In der christlichen und jüdischen Theologie
In der modernen Theologie des Christentums wird teilweise angenommen, dass die biblische Darstellung des Mose redaktionell erweitert worden sei. Auch die Historizität der Persönlichkeit und ihre Verbindung mit dem Auszug aus Ägyptenwird von Wissenschaftlern betroffener Fachdisziplinen unterschiedlich bewertet. Orthodoxe Juden und verschiedene christliche Konfessionen halten seine führende Rolle beim Auszug wie bei der Vermittlung des JHWH-Glaubens für historisch. Sie erachten entsprechend die teilweise sehr stark ausgestalteten Mose traditionen als zuverlässige Erinnerungen an eine bedeutende geschichtliche Persönlichkeit.
Die katholische Kirche und die Orthodoxie verehren Mose als Patriarchen des Alten Testaments und Heiligen. Bestimmte Kirchen sind ihm geweiht (z. B. die Šuplja crkva in Kroatien).
· römisch-katholisch: 4. September
· orthodox: 4. September
· evangelisch: 4. September im Kalender der Lutherischen Kirche – Missouri-Synode
Manche Juden und Christen sehen in Mose dagegen eine Symbolfigur, die wesentlich die Israeliten und das jüdische Volk zu einer Einheit formte, den Kultus und die zu beachtenden Gebote begründete und den Weg zum wahren Gottesglauben wies. Für diese Christen und Juden spielt die Historizität Moses keine wesentliche Rolle, soweit sie nicht überhaupt abgestritten wird, sondern er ist eine Figur, aus der Kraft für den Glauben geschöpft werden kann.
Als Identitätsstifter ist Mose neben den Erzvätern Abraham und Jakob sowie dem König David eine der wichtigsten Figuren nicht nur für das religiöse, sondern auch für das nationale Selbstverständnis der Juden.
Mose Im Islam
Für den islamischen Glauben ist Mose (Mūsā) neben Abraham (Ibrāhīm), Jesus (Īsā) und Mohammed ein bedeutender Prophet Gottes und wird im Koran als Empfänger „des Buches“ bezeichnet (Sure 2, 53.87; Sure 28, 43; vgl. Die Tora im Islam). Einer Legende zufolge sei der Stock des Mose nach der Eroberung von Mekka durch die Osmanen in der Kaaba gefunden worden.
Die biblischen Episoden der Mose geschichte und des Exodus werden im Koran wiederholt erwähnt. So sind in der Sure 2 (49–71) etliche Erzählungen und Anekdoten vorhanden, die auf die Gesetzgebung, auf den Bundesschluss am Sinai und auf die Ungehorsamkeit der Israeliten anspielen. Von dem Misstrauen der Israeliten Mose und „seinem Gott“ gegenüber und von deren Bestrafung ist auch in der Sure 5 (20–26) die Rede. In der Sure 20 befinden sich die Erzählungen von der Geburt (39–40), von der Flucht nach Midian (40), der Offenbarung Gottes und der Sendung des Mose (9–37; 42–48), die auch in der Sure 28 (3–35) vorkommen.
Die über Ägypten gesandten Plagen kommen nur in der Sure 7 (133–135) vor – ohne den Tod der Erstgeborenen. Am häufigsten wiederkehrend ist das Motiv der Konfrontation Mose mit den ägyptischen Magiern, die von der Bestrafung des Pharao und der Ägypter durch das Wunder am Schilfmeer gefolgt wird (Sure 7, 103–136; 10, 75–92; 20, 57–79; 28, 36–40; 43, 46–56). Von den übrigen Episoden der Wüstenwanderung kommen im Koran die Wunder vom Manna und den Wachteln (Sure 2, 57), das Wasserwunder (2, 60) und der Verfall der Israeliten in den Götzendienst in Zusammenhang mit der Begegnung Mose mit Gott (Sure 7, 138–156; 20, 83–98) vor.
Mose Zehn Gebote
Die Zehn Gebote, auch Zehn Worte (hebräisch עשרת הדיברות aseret ha-dibberot) oder Dekalog (altgriechisch δεκάλογος dekálogos) genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten (hebr. Mitzwot) des Gottes Israels, JHWH, imTanach, der Hebräischen Bibel. Im Tanach existieren an zwei Textstellen zwei leicht unterschiedliche Fassungen. Sie sind als direkte Rede Gottes an sein Volk, die Israeliten, formuliert, und fassen seinen Willen für das Verhalten ihm und den Mitmenschen gegenüber zusammen.
Sie haben im Judentum und Christentum zentralen Rang für die theologische Ethikund haben die Kirchen- und Kulturgeschichte Europas sowie des außereuropäischen Westens mitgeprägt.
Mose - Der Dekalog im Tanach
Wortlaut
Vom Dekalog gibt es je eine Fassung im 2. Buch Mose (Exodus) und im 5. Buch Mose (Deuteronomium), die in Details voneinander abweichen:
„Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ | |
„Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ | |
„Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“ | „Du sollst dir kein Gottesbildnis machen, das irgendetwas darstellt am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“ |
„Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.“ | |
„Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“ | |
„Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!“ | „Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat.“ |
„ Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. “ | |
An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. | An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. |
Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. | Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. |
Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt. | Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten. |
Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. | Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. |
Du sollst nicht morden. | Du sollst nicht morden, |
Du sollst nicht die Ehe brechen. | du sollst nicht die Ehe brechen, |
Du sollst nicht stehlen. | du sollst nicht stehlen, |
Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. | du sollst nichts Falsches gegen deinen Nächsten aussagen, |
Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört. | du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen und du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört. |
Mose - Narrativer Kontext
Mit Ex 19 EU beginnt in der Tora die Sinai-Erzählung: Nach der Ankunft der aus Ägypten befreiten Israeliten am Berg Sinai beansprucht JHWH sie als sein erwähltes Bundesvolk, worauf sie Mose versprechen, alle Gebote Gottes zu erfüllen. Nach seiner Theophanie redet Gott auf dem Berg mit Mose. Davor und danach beauftragt er ihn, das Volk vom Betreten des Berges abzuhalten und so vor seinem tödlichen Anblick zu schützen. Zum Schluss richtet Mose die Warnung dem Volk aus („… und sagte es ihm.“). Der Satz lässt sich auch objektlos übersetzen („und sagte ihm:“): Dann würde Mose dem Volk die folgende Dekalogrede mitteilen, die er zuvor von Gott empfangen hätte.
Ex 20 EU beginnt jedoch mit dem unadressierten Satz „Dann sprach Gott alle diese Worte“. Nach der Dekalogrede reagiert das Volk nicht darauf, sondern auf die vorherige Theophanie: Es sei vom Berg geflohen und habe Mose um Vermitteln der Worte Gottes gebeten. Er allein habe sich Gott genähert; das Volk habe nur sein Reden vom Himmel her „gesehen“. Demnach nahm es Gottes Stimme wahr, verstand aber nicht ihren Inhalt. Daraufhin verkündet Mose die Einzelbestimmungen des Bundesbuchs (Ex 20,23 – 23,33). Das Volk antwortet wie zu Beginn einmütig, alle Gebote Gottes erfüllen zu wollen (Ex 24,4 EU).
Nach dem Bundesmahl der siebzig Ältesten redet Ex 24,12 EU erstmals von steinernen Tafeln, die Gott Mose allein übergeben werde. Nach den Anweisungen zum Bau der Stiftshütte (Ex 25 EU–31,17 EU) nennt Ex 31,18 EU zwei Steintafeln, die Gott mit seinem Finger beschrieben habe. Diese enthalten nach dem Kontext alle zuvor ergangenen Gebote, nicht nur den Dekalog. Nach Ex 32,15–19 EU habe Gott selbst die Tafeln gemacht und sie beidseitig beschrieben. Mose habe diese Tafeln im Zorn über Israels Abfall zerbrochen und in seinem Auftrag neue angefertigt, von denen es heißt (Ex 34,28 EU):
„Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte.“
Vor der Landnahme der Israeliten kommt Mose in Dtn 4,13 EU darauf zurück: Nach der Sinai-Theophanie habe Gott ihnen den Bund offenbart und sie verpflichtet, diesen in Form der „Zehn Worte“ zu halten. Dazu habe Gott diese auf zwei Steintafeln geschrieben. Das stellt erstmals die Identität von Ex 20,2–17 mit den „Zehn Worten“ und zwei Gebotstafeln heraus und betont ihren Rang als von Gott selbst geoffenbarte und aufgeschriebene Bundesurkunde.
In Dtn 5,1–5 EU erinnert Mose das versammelte Volk daran, dass Gott seinerzeit auf dem Sinai (hier Horeb genannt) das Volk zwar laut und direkt angesprochen, dieses den Berg aber aus Furcht gemieden habe. Deshalb verkünde er, Mose, dem Volk seither Gottes Worte. Darauf wiederholt er die Dekalogrede als Vollzitat und bekräftigt dann, Gott selbst habe eben diesen Wortlaut damals verkündet, unverändert auf die Gebotstafeln geschrieben und diese ihm gegeben (Dtn 5,22 EU). Nun erst erfuhr das Volk nach dem Gesamtduktus des Pentateuch also mündlich den Inhalt des schon offenbarten und verschrifteten Dekalogs. Nach Dtn 10,1–5 EU legte Mose beide Steintafeln in die Bundeslade, die als bewegliches Heiligtum Gottes rettende Präsenz bei seinem Volk bis zur Zeit König Davids verbürgte (1 Sam 5 EU–1 Sam 6 EU; 2 Sam 7 EU).
Aus dieser erzählerischen Situierung ergaben sich Hauptfragen der Auslegung und Forschung:
· Wem gilt der Dekalog?
· Wie verhalten sich die beiden Fassungen zueinander?
· Welche ist älter und ursprünglicher?
· Wie verhält sich der Dekalog zur übrigen Tora?
Mose - Selbstvorstellung JHWHs (Gott)
Die Reihung wird in Ex 20,2 mit der im Tanach häufigen Theophanieformel „Ich bin JHWH“ eröffnet, die hier um die Zusage „dein Gott“ erweitert und auf die Tradition vom Auszug (Exodus) der Israeliten aus Ägypten (Ex 2–15) bezogen ist. Gott erscheint seinem Volk demnach nicht als Unbekannter, sondern erinnert es mit seinem Namen an seine frühere Befreiungstat, die seinen Willen bereits ausdrückte.
Gottes „Ich“ (hier in der betonten hebräischen Form Anochi) erscheint als einzigartiger, alle anderen Ansprüche ausschließender Rechtsanspruch auf ein kollektives „Du“. Die Anrede gilt dem ganzen im Exodus aus Ägypten erwählten Gottesvolk Israel und jedem einzelnen Angehörigen dieses Volkes. Gottes Selbstoffenbarung in der Geschichte der Hebräer begründet hier sein Recht auf alle ihre Nachfahren. Darum schärft die Haggada zum Pessach dem gläubigen Juden ein: „In jeder Generation betrachte sich der Mensch, als sei er selbst aus Ägypten ausgezogen.“ Diese Exklusivität Gottes, die das angeredete Volk zu seinem Gegenüber macht und an seine Befreiungsgeschichte erinnert, ist eine Besonderheit des Judentums unter den altorientalischen Religionen. Damit ist das Volk Israel und sein Gottesverhältnis zugleich von allen anderen Völkern unterschieden, so dass der Fortsatz „Du sollst keine Götter neben mir“ [wörtlich: vor meinem Angesicht] „haben“ als logische Folgerung erscheint: „Nur für den, dem Gott sich so offenbart hat, gilt auch das folgende Gesetz.“
Der im Exodushandeln JHWHs für Israel implizierte Ausschluss fremder Götter ist im Alten Orient einmalig.